Im Dezember 2009 gastierte die Familie Bölk mit Ihrem klingenden "Baumalptraum" im Deutschen Nationaltheater Weimar - ein außergewöhnliches Familienkonzert (im doppelten Sinne), das unser musikpädagogisches Programm um eine Facette berei-cherte, die selbst das versierteste Sinfonieorchester kaum aus eigenen Kräften bei-steuern kann. Denn zum einen ist der Clou des Stücks, nach der Pause gleich vier Alphörner in wunderbar harmonischem Ensemblespiel auf der Bühne zu präsentie-ren, wohl wirklich einmalig, zum anderen lässt die ganz offensichtliche Begeisterung der Bölk-Familie am Musizieren und am Erzählen der selbst erfundenen Geschichte den Funken definitiv vom ersten Ton an auf die Zuhörer überspringen.

Philipp Bölk hat nicht nur die Geschichte vom "Baumalptraum" selbst erdacht und sie im kreativen Spiel der Motive und Farben zum Klingen gebracht, seine Schwester Julia hat sie darüber hinaus mit ebenso fantasievollen Illustrationen hinterlegt und lässt so die visuelle Ebene dezent, aber voll farbenprächtiger Überzeugungskraft mit der Musik kommunizieren. Beide beweisen dabei ein kluges Gespür für die Drama-turgie der Geschichte ebenso wie für ihre mit leitmotivischer Konsequenz erfolgte Umsetzung - und übermitteln damit ganz nebenbei auch, wie viel Spaß es macht, mal auf musikalische Details zu hören und mit neugierig gespitzten Ohren durch die Weltgeschichte zu laufen.

Die ganze Familie Bölk findet sich schließlich gemeinsam mit dem Erzähler Peter Rauch zusammen, um mit Trompete, Hörnern, Posaune, Tuba, Gitarre und diversen selbstgebauten Rhythmusinstrumenten davon zu berichten, wie die hässliche, von allen belächelte und geärgerte kleine Fichte am Ende doch noch "Karriere macht" - als Alphorn, wer hätte das gedacht!

Dass die Geschichte also neben ihrem enormen kreativen Potenzial auch noch "pädagogisch wertvoll" ist, bleibt dezent im Hintergrund; umso eher identifiziert sich das Publikum von Stück zu Stück mehr mit dem traurigen, die Hoffnung aber nie aufgebenden kleinen Baum - und trägt schließlich sogar mit einem gemeinsamen Lied dazu bei, dass die Fichte am Ende ihren Traum auch wirklich leben darf. Dass ihr dies gelingt, weil sie eben nicht auf das Geschwätz der Anderen hört, sondern tief in sich drinnen ihrer ganz eigenen Melodie nachspürt, ist eine wundervoll poetische Auslegung der Idee von der "inneren Stimme", von der sich möglichst viele Musiker ähnlich leiten lassen sollten, wie es die Familie Bölk mit Spaß und ungebremster Mu-sizierlust tut.

Dass jeder große oder kleine Zuschauer, der sich auch selbst mal als Alphornspieler versuchen möchte, im Anschluss an das Konzert einem der hölzernen Riesen Töne entlocken darf (was gar nicht so schwer ist!), macht die Aufführung noch zusätzlich zu einem nachhaltigen musikalischen Erlebnis der besonderen Art. Eine Aufführung des "Baumalptraum" als Familienkonzert können wir jedem Veran-stalter nur empfehlen.

Kerstin Klaholz Konzertdramaturgin und Konzertpädagogin der Staatskapelle Weimar